Nano und der Weihnachtsmann
Es war Winter im tiefverschneiten Norden, kurz vor Weihnachten. In einem großen Wald, nicht weit von einem kleinen Dorf entfernt, lebte ein Wolfsrudel. Nano, der Anführer des Rudels, wagte sich ab und zu bis in das Dorf, wo Menschen mit Kindern lebten. Manchmal brachte er seiner Familie etwas zu fressen mit, aber er traute sich nie lange in der Nähe der Menschen aufzuhalten. Schon sein Großvater hatte ihn vor den Gefahren von Wilderern gewarnt, die es auf Wildtiere wie ihn abgesehen hatten.
Auch an diesem späten Abend war Nano auf dem Weg, um die Menschen zu beobachten und nach Futter Ausschau zu halten. Aber schon von Weitem merkte er, dass etwas anders war als sonst. Überall um die Häuser leuchteten farbige Lichter, und es war viel heller als sonst. Auch in den Häusern war es hell, und die Menschen hatten kunstvoll dekorierte Tannenbäume in ihre Heime gebracht. Die Kinder waren ganz aufgeregt und schienen sich über etwas zu freuen.
„Es muss ein besonderer Tag für die Menschen sein“, dachte sich Nano und vergaß für einen Moment, dass er sich vor den Menschen in Acht nehmen sollte und es hier für ihn gefährlich sein könnte. Rasch versteckte er sich hinter einem Gebüsch und stellte erschrocken fest, dass er von einer seltsamen Gestalt beobachtet wurde, die eine komische Kopfbedeckung trug. Auch sie schien sich erschrocken zu haben, als sie den Wolf sah. Beide standen starr da und wussten nicht so recht, was sie tun sollten. Nanos erster Gedanke war, so schnell wie möglich wegzurennen, und die Gestalt wollte eigentlich den Wolf verjagen. Aber nichts geschah, beide standen sich gegenüber und sahen sich gegenseitig in die Augen. Der Wolf merkte, dass dies eine besondere Gestalt sein musste, und fragte: „Wer bist du?“ Erstaunlicherweise verstand die Gestalt den Wolf und antwortete: „Ich bin der Weihnachtsmann, und wer bist du?“ „Ich bin Nano und war schon öfter hier, um Futter für meine Familie zu finden. Aber du musst keine Angst haben, ich werde dir nichts tun.“ Nano ging vorsichtig auf den Weihnachtsmann zu und fragte ihn, warum die Menschen heute so anders waren als sonst. Der Weihnachtsmann erklärte dem Wolf, dass bald Weihnachten gefeiert würde und die Menschen sich gegenseitig mit Geschenken erfreuen würden.
„Das ist aber sehr schön, hast du auch ein Geschenk für mich?“ fragte Nano zögerlich. „Eigentlich sind die Geschenke nur für die Menschen gedacht, aber ich glaube, ich habe auch etwas für dich. Wir sind doch jetzt Freunde?“
Nano folgte dem Weihnachtsmann und blickte immer noch ungläubig auf die vielen leuchtenden Lichter und Figuren, die in den Gärten der Menschen standen. Plötzlich sah Nano, wie der Weihnachtsmann in einem kleinen, gut versteckten Häuschen verschwand. Er folgte ihm vorsichtig und befand sich plötzlich in einem sonderbaren Raum, der mit Tannenzweigen und farbigen Kugeln geschmückt war. Auf einem großen Tisch lagen viele Geschenke bereit.
„Das sind die Geschenke, die ich heute Abend an die Kinder verteilen muss. Sie müssen alle am Weihnachtstag unter dem Tannenbaum liegen. Das ist eben Weihnachten. Möchtest du mir dabei helfen? Als Dank bekommst du dann auch ein Geschenk.“
„Gut, dann helfe ich dir gerne. Wann legen wir los?“
„Wir müssen sofort los und uns beeilen. Es gibt viele Kinder hier im Dorf, die alle ein Geschenk verdient haben.“
So machten sich die beiden auf den Weg und verteilten für alle Kinder im Dorf die Geschenke unter dem Weihnachtsbaum. Als Dank für seine Hilfe schenkte der Weihnachtsmann seinem neuen Freund ein großes Stück Fleisch. Nano bedankte sich und war sehr froh, dass er seiner Familie etwas zu fressen mitbringen konnte. Auf dem Heimweg überlegte er sich, ob er seinem Rudel die Geschichte vom Weihnachtsmann erzählen sollte oder ob es besser wäre, sich etwas anderes auszudenken, warum er so spät zurückkam. Er entschied sich, eine Geschichte zu erfinden, weil er nicht wollte, dass seine Nachfahren aus Neugier in die Dörfer der Menschen gingen und sich womöglich in Gefahr begaben.
Auch Nano selbst ging nur noch an Weihnachten in das Dorf, um seinem Freund, dem Weihnachtsmann, beim Verteilen der Geschenke zu helfen.